Moby Dick kam nicht bis Massachusetts

November 27, 2009 um 5:43 am | Veröffentlicht in 2009, Alles platti, Bücherhexe, Berlin, BildungsLückenbauten, Drumherum und anderswo, Globe-Trottel, Hexentanz, Kultur, Real-Poetisches, So Momente halt..., Werbehexe | 8 Kommentare
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Ein Update zu: Vor dem Mast und unter Segeln und: Mit Tschechow nach Marzahn

Vor dem Mast, ganz ohne schützende Kajüte, rackerte ich diesmal selber.

Vorletzten Dienstag, Berliner Tschechow-Theater in Marzahn.
Ich bin eingeladen. Ha, und Special Guest. Thema des Abends: siehe oben.

Vom Plattenbauhimmel regnet es Strippen. Wettermäßig also schonmal ein Minus für Feierabendkultur mitten in der Woche und für die Feuertaufe einer bestenfalls Backstage semibekannten Freizeit-Entertainerin. Ein Plus: die Reihe „Kultur der Welt“ ist etabliert und läuft regelmäßig, einmal im Monat. Noch ein Plus, das mindestens drei wert ist: weit und breit keine Konkurrenz. 😉

Geplant ist… nun, sagen wir, eine literarische Reise durch Neuengland. Genau genommen geht’s eher an dessen Küste entlang: durch die einstigen Walfängerhäfen von Nantucket und New Bedford, ein bisschen Boston und Harvard, ein bisschen Geschichte der Indianer und der alten Pilgerväter; dann, wie es sich für eine Hexe gehört, rauf nach Salem zum ollen Nathaniel Hawthorne und zurück über Cape Cod mit einer Prise Seefahrerromantik. Im Gepäck Moby -Titelbild für Massachusetts beim "Tschechow"Herman Melvilles dicken alten Wal und ein paar Bücher drumrum, zweidrei Rezepte zum Thanksgiving-Vogel und für das ungeschlagene chowderhafte Nationalgericht – das Ganze gut durchgerührt mit zwei Handvoll Walfängershantys.

Eine Stunde vorher da sein muss reichen für einen Schnelldurchlauf mit dem Techniker, der das Programm noch nicht kennt. Doch die Generalprobe fällt aus – meinen hergeborgten Laptop aus der Zeit der Erfindung des Morseapparates zum Pseudopowerpointpräsentieren zu überreden, kostet alles. Und der aufopferungsvolle Dompteur der Technik g i b t alles. Er umgarnt mich und und sich und die Bühne mit einem Gestrüpp aus Kabeln für Rechner, Beamer, Stereoanlage, zwei Leselampen und was weiß ich noch alles. Die Katastrophe scheint sich anzubahnen, als abenteuerliche Bildschirmzickereien mir meine im Akkord so wunderhübsch gebastelte Bilder- und Videoreihenfolge im Skript zerschießen und mein Helfer sich darin hoffnungslos verheddert. Na, das kann ja heiter werden!

Der Countdown läuft. Noch eine Viertelstunde… für angemessenes Hyperventilieren und Lampenfieber bleibt keine Zeit. Im Blick des braven Technikus die blanke Panik – als sei Moby Dick hinter ihm her. Das ist der Augenblick, in dem mich die Ruhe vor dem Sturm überkommt. Ich schenke dem Ärmsten mein schönstes Lächeln und mir den fälligen Herzkasper… setze mich hin und numeriere unsere zwei Achtseiten-Skripte per Hand neu durch.

Unser Theaterchen hat sich inzwischen gemächlich gefüllt. Nun ja, man will ja nicht grad behaupten, dass die Leut‘ sich um die Tickets balgten an diesem verregneten Abend, doch das Publikum ist klein, fein und erlesen und die Stimmung an den Cafehaustischchen erwartungsvoll. Eine Dame wedelt aufgeregt mit dem Programm: sie wollte sich heute eigentlich irgendwohin „Flussabwärts“ treiben lassen, bleibt aber trotzdem. Im Parkett links (also von mir aus rechts) hat sich, wie mir von Frau Intendantin gerade gesteckt, als besondere Herausforderung eine Vertretung der Marzahner schreibenden Arbeiter oder wie die heißen niedergelassen. Ja, schlürft nur euren Schoppen, das macht gute Laune, und die kann ich heut wie nix anderes brauchen. Ich selber hab bloß ’ne Kaffeeüberdosis und mein Hals ist ganz trocken.

Und dann geht’s los und es beginnt… nanu, nicht der Super-GAU? Wer hätte das gedacht. Dabei weiß doch jedes Kind, womit verhunzte Generalproben enden. Alles läuft super. Und das sogar trotz des alles entscheidenden Geständnisses gleich als Einstieg: Moby Dick kam nicht bis Massachusetts – schlimmer, die Reiseveranstalterin auch noch nie. Wenn man mal vom Schwimmen durch einen dicken Melville-Roman und das Internet absieht. Die geneigte Anwesenheit quittiert meinen Vorschlag, für einen derart riskanten Trip lieber das Eintrittsgeld zurückzufordern, mit einem Lacher statt allgemeinem Aufbruch. Na also, geht doch! Die Stimme räuspert sich frei und bei ihrem forschen Befehl zum Segelsetzen klettert das seefeste Publikum munter in die Wanten der Pequod und mitten hinein in den alten John-Huston-Schinken von 1956, den ich ja immer noch für den Moby-Film aller Filme halte…

Ungefähr anderthalb Stunden später gehen wir von Bord. Aufgekratzt schwatzend, vom Seewind gegerbt, mit schwankendem Matrosengang. Schütteln uns eine Zeitreise auf der alten “Mayflower” aus den zerzausten Haaren und jede Menge Seesand aus den Schuhen. Haben kichernd von Herrn Melville höchstpersönlich erfahren, dass die Nantucketer die Ostfriesen Neuenglands sind und wie wohlig Ismael und Queequeg beim Chowderlöffeln in Mrs. Husseys Kaschemme schmatzen. Wir mussten mitansehen, wie übel die ach so gottesfürchtigen Pilgerväter den gastfreundlichen Ureinwohnern mitgespielt haben. Durften den eigenen staunenden Augen trauen, dass ein unzufriedenes Filmvolk imstande ist, Father Orson Welles‘ Mapples von der Regie erfundene Schiffsbugkanzel in eine reale Seemannskirche zu klagen. Wir wissen jetzt, warum dereinst hungrige Iren gen Amerika segelten, und dank einem schiffbrüchigen Seemann und einem seetüchtigen Literaten auch, wie ein echter Pottwal echte Schiffe versenkt. Wir haben uns in einem brodelnden Hafenbecken unter die Akteure der Boston Tea Party gemischt. Sind am Haus mit den sieben Giebeln des neuenglischen Schreibergottes vorbeigeschlendert, das immer noch steht in Salem. Und haben mit den daselbst ansässigen barfüßigen Hexen getanzt, die sowieso keiner vergisst, der das einschlägige Stückchen Kult-Zelluloid von anno dunnemals noch irgendwo im Hinterkopf hat.

Ach ja, fast hätte ichs vergessen, spontan wird auch ein Publikumsliebling gekürt: Ranzo, der Chanteyman von Massachusetts, samt seinem natürlichen und für Walfängerlieder gemachten Klangkörper. Der steht laut seinem Youtube-Profil auf harmony, dissonance, music, noise, rum, truth, tea & cookies, singt mit sich selber im Duett oder gar im Trio und avanciert einhellig zum Kuschelseebären des Abends. (Der Verwendung seiner Tonbeispiele hat er beiläufig offiziell zugestimmt.) Meine aus Zeitgründen vorgesehene Kürzung seines zurechtselektierten Repertoires wird von der virtuellen Reisegruppe mit grummelndem Protest bedacht und muss als Zugabe nachgereicht werden. Ist das nicht das, wovon man immer mal geträumt hat?: mit Leuten in einem Boot sitzen, die eine Wahl hatten… für das Boot.

Die Frage des Abends (aus dem Parkett links): „Aber Sie sind doch gegen den Walfang?“

Und was das Beste ist: mein finaler Werbespot für eine Fortsetzung der Veranstaltung – die für nächstes Jahr einzufädelnde Moby-Dick-Bloglesung nämlich – wird ebenso gefeiert wie die Aussicht, als Soundtrack dazu die süddeutschen Folker What about Carson in der Hauptstadt mal live zu erleben. Deren wieder mal passende und frechfröhlich über den Küstenhaken von Cape Cod lärmende Sally Brown überaus gut ankommt.

Fazit: Moby Dick kam zwar nicht bis Massachusetts. Den Leuten vom “Tschechow” ins Blut aber schon.

Bilder: Moby Dick: Via, bearbeitet. Mayflower: Stuff from Room 311.
Video: Selber gebaut – zu: Der Hund Marie: Moby Dick. Aus: Hooligans & Tiny Hands. 2006.

Heißen Seemannsdank nochmal an den Wolf, für die Hilfe beim Soundtrack.

Die Lieb, die Lieb

August 29, 2009 um 11:50 pm | Veröffentlicht in 2009, BildungsLückenbauten, Drumherum und anderswo, Fest-Platte, Hexenlieder, Kalenderblätter, Real-Poetisches | Hinterlasse einen Kommentar
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Kleiner Nachtrab… äh, Nachtrag zum Goethe-Jahr 2009, mit dessen Ausrufung inzwischen kaum ein Goethe-Freund&Erbe noch ernsthaft rechnet

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ir waren ja mal eine Zeitlang Nachbarn, der Herr Geheime Rat und ich.
Nun ja, wenigstens wären wir es beinahe gewesen. Haben uns, grob geschätzt, nur um ein schlappes knappes Vierteljahrtausend verpasst – um das meine paar Semester philologischer Studien an der Alma Mater Jenensis später anfingen nämlich.

Gleich nebenan hatte er kurz zuvor, um genau zu sein 1784, während seiner Betreibungen der Naturwissenschaften im Anatomieturm zu Jene den Zwischenkieferknochen des Menschen entdeckt. Außerdem in seiner Eigenschaft als Minister des Herzogs Carl August den Straßenbau durch das Mühltal befehligt sowie die höfischen Sammlungen und Bibliotheken vor Ort. Aber pssst, sagt’s keinem weiter – eigentlich kam er ja immer nur wegen der geselligen Abende im Frommannschen und im Griesbachschen Hause oder wegen der anregenden Dispute mit Schiller in dessen lauschigem Garten. In dem ich beiläufig einmal, nachdem der ihn in dieser Welt aufgeben musste, einen Studenten-Subbotnik lang das seither wuchernde Unkraut gerupft und gezupft hab.

Wenn ich es nicht schon vorher war, dann gehöre ich spätestens seit dem Stückchen Lebenszeit in dieser Ecke, wo man auf Schritt und Tritt Goethens Atem spürt, zu seinen ungezählten Verehrerinnen. Ich hab die Dornburger Schlösser hoch über der Saale für mich erobert, in denen er sich vom Ableben seines Landesvaters erholte und deren eines heute seinen Namen trägt. Hab dort oben mit einer Studentenliebe und ohne Publikum in einem heißen Sommer mein eigenes Rosenfest gefeiert, das es wohl zu Goethes Zeiten noch nicht gab, dafür aber bestimmt die eine oder andere Muse, die das Zeug zur Rosenkönigin gehabt hätte.

Ich bin glühender Weimar-Fan: hab meine kargen Stipendien-Taler in den “Elephant” getragen, in dem der Meister einst erkleckliche Zeit zubrachte; ja den, in welchem Thomas Mann in “Lotte in Weimar” Goethens und Werthers Lotte einquartierte – ich tat’s mit ehrfürchtiger Gänsehaut im Nacken, auch wenn der Dichterfürst schon längst nicht mehr dort tafelte. Ich war im Ilmpark, weilte in des Herrn Geheimrats Gartenhaus, in dem und um das es zwar nicht mehr ganz so aussieht, wie der gute Eckermann es 1824 in seinem Bericht beschrieben, das mich aber in seiner romantischen und fast spartanischen Schlichtheit immer wieder bezaubert hat. Ich bin in der da noch nicht vom Feuer verheerten Bibliothek gesessen, bin auf müden Füßen und am Ende ohne Schuhe zum Schloss und Park Belvedere hinaus gewandert und durch die Stadt gestrolcht. Ach, und wohin dort nicht noch überall…
Ich war ewig schon nicht mehr da… muss mal wieder hin.

Aber ich kann viel erzählen, wenn der Tag lang ist, wer glaubt einem heut schon noch was aus zweiter Hand. Dann schon eher Goethen selber:

Woher sind wir geboren?

Woher sind wir geboren?
Aus Lieb.
Wie wären wir verloren?
Ohn Lieb.
Was hilft uns überwinden?
Die Lieb.
Kann man auch Liebe finden?
Durch Lieb.
Was läßt nicht lange weinen?
Die Lieb.
Was soll uns stets vereinen?
Die Lieb.
(Aus den Briefen an Frau von Stein)

Und weil ihr es seid und zur Feier des gestrigen Tages: Tadaaa, mein Fundstück der Woche! Extra für euch – und den alten Schwerenöter, nebst dem Allerherzlichsten ihm nachträglich zum 260sten. Dieses kleine Gedicht voller Seele und Weisheit (wer wenn nicht der wusste, wie das geht) wird umso glaubwürdiger auf eine Melodie – tanzen oder sterben wir bei dem Thema nicht alle eher mehr als weniger in Dur oder Moll? Die glockenhelle Stimme von Bobo alias Christiane Hebold trifft ins Herz – wen wundert’s. Eine Absolventin von ‚Franz Liszt‘ – in Weimar! – wird doch wohl noch ihren Goethe kennen. Und zusammen mit dem Video von Jarek Raczek erst! Führt es uns doch so recht romantelig barfüßig an einen Originalschauplatz – ihr ahnt WOhin? Wohlan, ihr Jünglinge und Mädchen: Gaffet und lauschet! Auf nach… na, ihr wisst schon. — Achtung, Ohrwurmverdacht!:

Song: Die Lieb. Sängerin: Bobo. Komponist: Sebastian Herzfeld. Texter: Johann Wolfgang Goethe. Aus: Lieder von Liebe und Tod, 2007. Auch bei amazon. Via youtube.
Als Ergänzung: Neben dem obigen Dichterfürstlichen und einem weiteren (Wanderers Nachtlied) finden sich auf dem Album auch Versträllereyen von Eichendorff und Zuccalmaglio und überraschendes, wunderbar neuvertontes altvertrautes Volksliedgut.

Ach ja, als Belohnung fürs Reinschaun noch ein Lesetipp: Der Wolf hat sogar pünktlich gratuliert. Und hey, der ist einer, der’s kann.

Bildquellen: Anatomieturm in Jena – via thueringenweb.de. Schillers Garten in Jena – via jenakolleg.de. Postkarte mit Motiv Goethes Gartenhaus, 1929. Via Goethezeitportal.
Gedicht: Johann Wolfgang Goethe: Woher sind wir geboren? – Via Zeno.org. Dort angegebene Quelle: Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 82, gemeinfrei.

Vor und hinter Königswinter

Juli 19, 2009 um 11:40 pm | Veröffentlicht in 2009, Bilderhexe, Drumherum und anderswo, Hexenritte | 14 Kommentare
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Treibgut am Schienenstrang… und am Rheinufer lang

ICE-TWem zum Teufel ist nur eingefallen, die aktuelle Fachtagung ausgerechnet nach Königswinter zu verlegen? Das liegt von meinem natürlichen Lebensraum aus gesehen am Arsch der Welt (musste erst googeln, wo der ist), bedeutet irre früh aufstehn und über sechs Stunden Bahnfahrt quer durchs Land, auch noch mit Umsteigen. Kommt, wie immer lang bekannt, wie immer zur Unzeit und zu tun hat man eh viel zu genug und überhaupt.

Andererseits hat mir das mystisch guerillierende Preis-Marketing der Deutschen Bahn für dieses Mal online ein Ticket 1. Klasse ausgespuckt; darüber will man ja gar nicht meckern. (Auch wenn es dafür wiederum eine Extra-Genehmigung der zuständigen Dienstetage mt stichhaltiger Begründung der Ersparnis einzuholen galt – wär‘ ja noch schöner, wenn die sozialwerktätigen Prekarier neuerdings einfach so in der Business Class zur Arbeit düsen täten.)

Die Stimmung fühlt sich zunehmend besser an, nachdem ich es halbnächtens pünktlich zum Zug geschafft hab und mein Dreitagegepäck verstaut ist; und für die richtige Motivation hat’s ja noch ein paar Stunden Zeit.

Ich besetze den ICE meiner Wahl immer schon am Ostbahnhof, da ist es noch schön leer. Ich liebe das: eine kleine Weile den ganzen Wagen fast für mich alleine zu haben. Dafür heißt es, vor dem normalen Reisetempo noch die innerstädtischen Dörfer abzutuckeln. Erster Halt: Hauptbahnhof. Die jüngste Großstation Berlins, ein AlbTraum aus Stahl und Glas, der bei Sturm gern schon mal seine tonnenschweren Metallträger nicht bei sich behält.

Berliner Hauptbahnhof bBerliner Hauptbahnhof 1_new bvkl

Dort steigt eine aufgekratzt durcheinanderkyrillende Gruppe russischer Eisenbahner auf Studienreise zu, die den Waggon bis kurz vor Köln unterhalten und bildungshungrig wie die Vorschulkinder DB-Errungenschaften für die Nachahmung im heimatlichen Personentransport notieren wird. Sie probieren – als einzige – die Fernsehbildschirme in den Rückenlehnen der Vordersitze aus, besuchen zur Freude des Personals ausgiebig das Bordrestaurant und sehen hoffentlich nicht mein heimliches Grinsen, als sie in einem Kauderwelsch aus Muttersprache und englischen Brocken mit dem verzweifeifelnden Bahnermädel eifrig um den Preis für den am Platz servierten Tee feilschen.

Hinter Spandau nimmt unser Schienenflitzer Fahrt auf: die Bahn kommt. Mit Wohlfeeling pur nämlich. Kundenfreundlich und kostenfrei krieg ich die druckfrische Morgenzeitung (Auswahl aus sechs, von Boulevard bis seriös) und einen mobilen Frühstückskaffee kredenzt, sogar in ’ner richtigen Porzellantasse. Herz, was willst du mehr! In mir macht sich kuschelige Zufriedenheit breit und der Drang, die Sandaletten abzustreifen und die Füße hochzuziehen…
( Öhm… den Kaffee hab ich natürlich bezahlt.)

Sommer am Bahndamm

Vorm Fenster zieht echter Sommer vorbei. Plustrige Wattewolken schwimmen im Blau über der Landschaft, am Bahndamm sonnen sich Margeriten und Mohnblumen. Jaaa… wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel – hat meine Oma immer gesagt. Irgendwann, Wolfsburg, glaub ich, fläzen sich zwei Bionadetypen im beschlipsten Business-Look schräg gegenüber in ihre reservierten Polstermöbel. Erst blöken sie quer durchs ganze Abteil in ihre Handys. Dann machen sie mich wie die Baubudenrülpse an. Meine linke Augenbraue begibt sich einen Zentimeter höher, meine kalte Schulter glasklar in Position. Statt gegen die zwei Hammel erhebe ich meine Lanze… öh, Kamera lieber gegen ein paar Riesen mit Windmühlenflügeln,

Windräder im Kornfeld_new bb

Dona Quijotes Riesen

Windräder200 b vkl

die rechts samt dem Acker mit beachtlichem Tempo 200 nebenhergaloppieren – wuschschsch… sind sie vorbei. Digitaler Beweis ist gut – denn wer weiß heutzutag schließlich noch, ob ich wirklich Dona Quijote oder nicht doch eher ’ne Paul Austersche Daniela Quinn oder vielleicht sogar Ms Humpty Dumpty bin…

Bielefeld gibt es nicht!Und das hier links ist – Bielefeld. Jedenfalls das, was ich davon gesehen hab. Was keinen mehr sonderlich wundern dürfte – wo es doch Bielefeld überhaupt nicht gibt. Immerhin gibt’s einen Bahnhof, der so heißt, als gäbe es Bielefeld.

Hinter Hannover und vor und zwischen Hagen und Hamm (oder umgekehrt?) hat’s bechereske Motive zuhauf. Ob allerdings meine bescheidene Referenz an Hilla und Bernd – bei satten 185 Sachen amateurhaft mit meinem Digi-Spielzeug gestümpert – tatsächlich eine ist oder nachgerade eine bodenlose Unverschämtheit, wage ich lieber nicht zu beurteilen. (In groß sehen die Bilder übrigens einen Tic besser aus.)

Kraftwerk Landschaft160 bvkl

Fabrik zwischen Hannover und H... bRWE aufm Berg_new b

Parkplatz150 bfaICE-Rückspiegel Sonnenbrille_new b

Den Kölner Dom gibt’s – und Köln gibt’s auch. Wir kommen sogar pünktlich auf die Minute an. Und obwohl das Auskunftsverhalten des ewas gewöhnungsbedürftigen Menschenschlages dort mich zweieinhalbmal verschiedene Treppen hoch und runter jagt, bevor ich den richtigen Bahnsteig meines Anschluss-Regios gefunden hab, bleibt noch Zeit für ’ne Kippe – nach füüünf Stunden Enthaltsamkeit.

Kölner Dom ausm Zug_new bungestörte Raucherecke.. bb...mitten aufm Bahnsteig_he_new b

Damit man die Mit- und Woandershinreisenden nicht gesundheitlich beeinträchtigt, begibt man sich dazu in die eigens dafür angelegte gemütliche Raucherecke: durch auf den Boden gemalte – wenn auch etwas abgelatschte – Linien klar von der Nichtraucherwelt getrennt, mitten auf dem proppenvollen Bahnsteig. Auf Englisch klingt sie beiläufig noch mehr nach Exoten-Reservat, wie ich finde. Was allerdings auch an meinem Exoten-Englisch liegen kann. Auslauf übern Daumen gepeilt so an die 3×7 Meter. Zeitmaschine_new b Hat so ein bissel was von Inner-Ecke- oder Am-Pranger-Stehen, das launige Zigarettenpäuschen.

Und nebenher erfährt man beim Blick auf die Ankunftsanzeige auch noch, dass man ahnungslos in einer Zeitmaschine gesessen hat…

Keine Angst, mit den Insider-Details aus dem Inhalt zum bereits erwähnten Anlass dieser dienstlichen Landverschickung werde ich hier keinen langweilen. Höchstens noch mit ein wenig Treibgut vom Rhein – vor und hinter Königswinter. Für einen Spaziergang am Ufer reicht die Zeit nach dem Abendbrot immer grad noch.

Ein Ort für irische Getränke und 'n echt Kölsche Jung von Oberkellner

Ein Ort für irische Getränke und 'n echt Kölsche Jung von Oberkellner

Treibgut

Treibgut


Fensterblick zum Petersberg - Grüße von Haus zu Haus

Fensterblick zum Petersberg - Grüße von Haus zu Haus


Scheinbrücke und Hängegärten. Kreativexzess eines frühpensionierten Eigenheimbauers?

Scheinbrücke und Hängegärten. Kreativexzess eines frühpensionierten Eigenheimbauers?


Ahoi, Sir Winston!

Ahoi, Sir Winston!


Rheinfährdock im Abendrot

Rheinfährdock im Abendrot

Ist wirklich ein nettes Örtchen, dieses Königswinter. So recht eins zum Zur-Ruhe-Setzen von nach Berlin verfügten Staatsdienern. Die wissen, wo man die Pension nach was aussehen lassen kann. – Und beim nächsten Mal heuere ich bestimmt auf einem der vorbeischippernden Kähne an… so als alte Wasserrättin und Binnenpiratin.

Den Soundtrack dazu gibt’s heut als alternatives Wunschkonzert: wenn’s einer nich so mit dem ultimativen Marschrhythmus hat, so steige er lieber in den Train Of Love:

Und wer ihn countryger in Erinnerung hat – der da hat ihn von dem da. Hey, oder wartet doch einfach auf den nächsten Zug. 😉

Bilder: eigenes Hexenwerk. Video: Bob Dylan. Train Of Love. Johnny Cash Tibute, 1999. Via 5thdayofMay auf youtube.

Leben mit Puschkin

Juni 21, 2009 um 4:53 pm | Veröffentlicht in 2009, Bücherhexe, Bilderhexe, BildungsLückenbauten, Kalenderblätter, Kultur, Real-Poetisches | 3 Kommentare
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Französisch war ihm ganz zu eigen,
Er sprach und schrieb es tadellos,
War als Masurkatänzer groß
Und konnte sich scharmant verbeugen:
Braucht’s mehr, damit die liebe Welt
Uns für gescheit und reizend hält?

Gelernt hat jeder von uns allen
Sein Pröbchen, minder oder mehr:
Drum ist, durch Bildung aufzufallen,
Bei uns, gottlob, nicht eben schwer.

(Alexander Puschkin. Aus: Eugen Onegin. 1823-1830,. Erstes Buch, 4./5.)

selbstporträt anfIch war noch ein blondzöpfiges Schulmädchen, kurz nach Dreikäsehoch, da fing es an. Da schlich er sich zum ersten Mal in mein Leben, mehr so aus Versehen und fast unbemerkt. Nur einer merkte es doch – mein alter Deutschlehrer. In einem Klassenaufsatz, fünftes Schuljahr – als vage memoriertes Thema galt es irgendwie, dem aufbegehrenden Jüngling in Ilja Repins „Wolgatreidlern“ ein Leben zu erfinden – hatte ich mich mit glühenden Wangen im Geschichtenschreiben verloren. Meinen spannenden Beinahe-Roman nannte der weißhaarige Pädagoge ein Beinahe-Plagiat, der Puschkinschen Dubrowskij-Novelle nämlich. Wo ich den damals noch nicht mal kannte. Was sich daraufhin freilich umgehend änderte. Von da an war er eigentlich immer latent anwesend, also der Puschkin jetzt.

Jahre danach: den Erstsemestern der Alma Mater Jenensis war ein Kulturpraktikum verordnet (sorry, so hieß das meinerzeit und es war sogar ganz lustig). Aus dem erinnere ich vor allem ein paar wilde Tage in einer Jugendherberge mit ’ner munteren Studi-Truppe ‚von Drüben‘ aus den heute alten Bundesländern, zu unserer Überraschung kollektiv heiße Puhdys-Fans. Ach ja, und dann noch die verklärten Augen und das leise bebende Pathos in der Stimme der muttersprachigen Russischdozentinnen, die uns das richtige Timbre beim Deklamieren der „Zygany“ oder von Versen aus dem „Onegin“ beizubiegen suchten. Das wir Frischlinge zuerst noch mit ungläubigem Grinsen, am Ende der Veranstaltung ergeben als Erwerb kultureller Kompetenz quittierten.

Später bin ich einen kalten Winter lang durch sein Zarskoje Selo und sein Sankt Petersburg gestromert, zu einer Zeit, als jenes gerade Puschkin, dieses gerade Leningrad hieß. Hab einen heißen Sommer lang zu erleben gelernt, warum er nicht anders konnte als georgische Berge und Mädchen und das Schwarze Meer besingen. Ich habe in russischen Bücherstübchen und -palästen gekramt und mir meinen Alexander Puschkin in Originalsprache erkrautert. Mir die Rauf- und Runterverfilmungen seiner Erzählungen reingezogen, auch den 1940er Postmeister Heinrich George. Und kann euch heute die Bjessy (Teufel), die Märchenpoeme oder die Liebesverse an diverse Angebetete halbwegs aus dem Gedächtnis hersagen.
Leben und sterben mit Puschkin, immer mal wieder.

Über den Genius des Dichterfürsten der Russen scheint man sich ja auch hierzulande einig zu zu sein. Doch versuche mal, eine deutschsprachige Ausgabe seiner sämtlichen Werke zu erstehen. Funktioniert nur unvollständig und nur antiquarisch und beim Stöbern in amazon kommen dir die Tränen. Die vollständigste, die ich je in Händen hatte, eine in der Sowjetunion auf Deutsch verlegte vierbändige Jubiläumsausgabe von 1949, hab ich mal mit Herzblut hergeschenkt an einen, von dem ich denk, dass sie es bei ihm schön warm hat. Ist heute nirgendwo mehr zu kriegen, das Schätzlein. Höchstens noch die Schwester, übersetzt von Johannes von Guenther, im selben Jahr bei Aufbau erschienen.
grafi duell aus film_koms_prawda
Puschkins so abrupt und zu früh an einem Pistolenschuss geendetes Dichterleben war voller Leidenschaft und nicht ohne Geheimnis. “Ich war mehr oder weniger in alle schönen Frauen verliebt, die ich kannte”, schrieb er einmal in seinen Tagebüchern. Er war ein heißer Patriot, ein scharfzüngiger Kritiker und ein Spötter vor dem Herrn, was ihm neben einer Verbannung in den Süden und anderen Unannnehmlichkeiten die zweifelhafte Ehre einbrachte, dass seine Werke vom Zaren höchstpersönlich zensiert wurden. Seine eigene Grabinschrift schrieb er mit zarten 16 Jahren. Der ungeklärten Herkunft seines Urgroßvaters mütterlicherseits, dem Mohren des Zaren, spürte er selber mit mäßigem Erfolg und spüren die Leut‘ noch heute hinterher. Manche seiner Gedichte klingen für mich wie Vorahnungen seines gewaltsamen Todes. Und ein Schreiberling der so wundersam zum Boulevardblatt mutierten Komsomolskaja Prawda orakelt gar mystisch, minutiös belegt an einem Vergleich von Gänsehaut-Parallelitäten des (literarischen) Lebens Onegins und des (realen) Lebens Puschkins, dass letzterer sich mit dem Onegin-Roman in Versen seine eigene Vorbestimmung herbeigeschrieben und der arme (literarische) Graf Lenski sich aus dem Grab für seinen Dramentod am Dichter gerächt habe. Dabei ist es schon mystisch genug, dass es die Komsomolskaja Prawda noch gibt – meinte man nicht immer, dass die Zahl der Komsomolzy seit Jahren rückläufig wäre? Jedenfalls vorübergehend.

zeichnungen seiner frau auf verschiedenen manuskriptenmanuskript eugen onegin
onegin - p am fensterteufelskopfSchiff am Gedichtmanuskript Wospominanije _Erinnerung
duell spanischer grandenSkizzen zu Werken der französischen RomantikPeter der eherne Reiter ohne Peter ;o) 1829
Weiß eigentlich hierzulande jemand von den Gelegenheitspuschkinisten, dass der Meister auch ein ganz passabler Zeichner war? Mit Hang zum Karikaturisten. Seine Originalmanuskripte sind eine Augenweide, vollgekritzelt mit Porträts und angedeuteten Szenen aus dem Inhalt. Es gibt Titelblattentwürfe von ihm und sogar eine Art grafisches Tagebuch. Eine Unzahl von Abhandlungen und Forschungsarbeiten beschäftigt sich mit diesen Zeichnungen und Illustrationen. 1977, noch zu Sowjetzeiten wurden sie unter der Regie von Andrei Khrzhanovsky zu einem poetischen Sojusmultfilm (einer Art bewegtem Comic) animiert – einem Kleinödchen, das sich als Dreiteiler auf Youtube findet. Auch für die Texte, Auszüge aus Puschkins Werken (allerdings auf Russisch), ließ man sich nicht lumpen und sie von keinen Geringeren als den russischen Kultmimen Smoktunowskij und Jurskij einsprechen.

Teile 1 und 3 – hier und hier.
Na , das wäre auch ein Geburtstagsgeschenk für ihn so recht nach seinem Sinne gewesen. Vor ein paar Tagen erst – am 6. Juni – ist er jugendliche 210 geworden, fast Anlass genug für ein kleines Puschkin-Jahr, oder?

Zum Schluss noch ein bissel Puschkin selber?
Na gut, dann die Lieblings-Russalka, die auch schon als Exotin in die Mermaid-Szene aufm Moby-Dick-Blog eingegangen ist und den Meister als Thema über Jahre beschäftigt hat. Und weil ihr es seid, sogar auf Deutsch:

[Außerdem kann der Wolf dann gleich mal den Link im Moby-Blog auswechseln, nachdem die Ganoven einfach die Site gekickt haben. 😉 ]

Die Russalka

Im Waldesgrund, am Seegestade,
Erflehte ein Anachoret
Für seine Sünden Gottes Gnade
In Arbeit, Fasten und Gebet.
Schon grub sich eine Grabesstätte
Der greise Mönch mit müder Hand,
Voll Sehnsucht, daß die Seele rette
Sich bald in Edens Friedensland.

Einst sprach vor der vermorschten Hütte
Der Mönch bei Sonnenniedergang
Zum Himmel seine fromme Bitte.
Stumm stand der Wald, der Nebel sank
Und wallte ob den düstern Wogen.
Nun strahlte lichte Mondesglut
Von dem umwölkten Sternenbogen,
Und silbern schauerte die Flut.

Da faßt ein unerklärlich Grausen
Des Mönches Brust, er atmet schwer …
Urplötzlich wogt der See im Brausen,
Und grabstill wieder wird’s ringsher.
Und siehe! Zart wie Mondstrahlgluten,
Weiß wie der Schnee auf Bergesgrat,
Entsteigt ein nacktes Weib den Fluten
Und setzt sich schweigend ans Gestad.

Sie strählt die thaubeperlten Locken
Und blickt ihn heimlich seltsam an.
Den Schlag des Herzens fühlt er stocken
Bei ihrer Reize Zauberbann.
Er sieht sie mit der Hand ihm winken;
Sie senkt das Haupt, harrt regungslos –
Und schimmernd, wie ein Stern im Sinken,
Verschwindet sie im Wellenschoß.

Die Nacht wich schlummerlos von hinnen,
Gebetlos strich der Tag vorbei –
Vor des verstörten Greises Sinnen
Stand traumhaft schön die Wasserfei.
Und wieder ruht der Wald im Dunkel,
Und wieder aus dem Flutenreich
Taucht in des Mondenlichts Gefunkel
Die Maid berauschend schön und bleich.

Sie nickt ihm zu, sie lacht so helle,
Sie schickt ihm Küsse, lockt und minnt,
Sie spritzt nach ihm die Silberwelle,
Sie schmollt und weint, ein loses Kind,
Sie seufzt und blickt zum Sternenbogen,
Sie flüstert: „Mönch, zu mir, zu mir!“
Und jach verschlingen sie die Wogen
Und Schweigen herrscht im Waldrevier.

Am dritten Tag saß liebentglommen
Der Eremit am öden Strand
Und harrt auf der Russalka Kommen;
In Dunkel hüllte sich das Land …
Und als der Sonne Purpurgluten
Die Nacht verscheucht, da ward die Schar
Der Fischerkinder in den Fluten
Nur einen greisen Bart gewahr …
(Übersetzung: Friedrich Fiedler 1895)

Ha, noch ein Grund für die Slawenmermaid: für eher visuelle Typen das Ganze nochmal als schhnuckeliger, so recht und echt russischer Animationsfilm, der zwar nicht lautlos, doch fast vollends ohne Sprache auskommt. Weil ihr es seid! –
Сегодня день мультфильмов. 😉

Bilder: „Initiale“: Puschkin: Selbstporträt. Gemeinfrei. Duell – Szene aus dem Film: Puschkin – das letzte Duell. Russland 2006. Via. Puschkin-Zeichnungen – verschiedene, gemeinfrei. (Nach den Quellen könnt ihr mich fragen, wenn ihr wollt, die Verlinkerei war mir zu aufwändig. 😉 )

Must be the season of the witch

April 30, 2009 um 11:04 pm | Veröffentlicht in 2009, Berlin, Bloghexe, Hexenritte, Hexenseele, Hexentanz, Kalenderblätter, Kultur, Mitmensch - unbekanntes Wesen, Real-Poetisches, Träller-Hexe | 1 Kommentar
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Faust:
Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.
Ich denke doch, das war recht klug gemacht:
Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,
Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.

Mephistopheles:
Da sieh nur, welche bunten Flammen!
Es ist ein muntrer Klub beisammen.
Im Kleinen ist man nicht allein.

Faust:
Doch droben möcht ich lieber sein!
Schon seh ich Glut und Wirbelrauch.
Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
Da muss sich manches Rätsel lösen.

Mephistopheles:
Doch manches Rätsel knüpft sich auch.
Lass du die große Welt nur sausen,
Wir wollen hier im stillen hausen.
Es ist doch lange hergebracht,
Dass in der großen Welt man kleine Welten macht.
Da seh ich junge Hexchen, nackt und bloß,
Und alte, die sich klug verhüllen.
Seid freundlich, nur um meinetwillen;
Die Müh ist klein, der Spaß ist groß.
Ich höre was von Instrumenten tönen!
Verflucht Geschnarr! Man muss sich dran gewohnen.
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,
Ich tret heran und führe dich herein,
Und ich verbinde dich aufs neue.
Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.
Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe
Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt
Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?

(J. W. Goethe: Faust I. Walpurgisnacht.)

bchstabe-i
rgendwas (f)liegt in der Luft. Hoffentlich nur die Mitmädels auf den Reisigbesen.

Wenn nicht die ordnungshütenden Sixpacks schon tagsüber im Schwarm durch Friedrichshain patroullierten und mir den gewohnten Dienstweg durch die Straßen (ver)sperrten, statt – wie in den letzten Wochen so gerne – den neuen völkischen Klamottenshop gleich neben unsrer multikulturellen Toreinfahrt zu bewachen, dann hätten mich spätestens die wilden Horden der Hexenjäger im Wohnzimmer der heimeligen Bloghütte daran erinnert:

ES IST WALPURGISNACHT! Eine Nacht voll wilder Ausgelassenheit, voll Tanz und Zauber und Magie.

Liebe Mithexen, Molotowcocktailbastler und Maikäfersammler! Tanzt friedlich in den Mai – ums Hexenfeuer, auf dem Blocksberg oder einfach so – und lasst die Leute ihre Autos selber abwracken.

Vielleicht zu Donvan oder den frech grölenden Cover-Mädels:

Macht heut vielleicht ausnahmsweise einen kleinen Bogen um Get Well Soon 😉 …

…und bewegt die Barfüßchen lieber noch zu was Irischem – nur echt mit schottischer Landschaft und kanadischen Hexen *g*. Und wer schön lieb ist, der darf nochmal – zum in Hexis verschwenderischer Großzügigigkeit auserwählten Bonustrack von ASP mit den süßen Geistern:

ASP? Ja, das sind die Zauberbrüder mit der wirklich wunderfeinen Krabat-Scheibe.

Genug Hexentanz?
Nun dann: have fun!
(Man weiß ja schließlich, was Hex‘ sich heut schuldig ist. 😉 )

Walpurgisnacht auf Postkarten

Bild: Walpurgisnacht. Verlag J. Miesler, Berlin. Via Zeno.org: 5000 Bildpostkarten aus der Zeit um 1900
Songs: Hole: Season Of The Witch. Aus: My Body The Hand Grenade (1997). Video via youtube. Get Well Soon: Witches! Witches! Rest Now In The Fire. Aus: Rest Now Weary Head You Will Get Well Soon (2008). Video via youtube. ASP: Und Wir Tanzten – Ungeschickte Liebesbriefe. Aus: Horror Vacui (Doppel-CD, 2008). Video via youtube.
.

…dann müssen wir sein, wie wir sind

Februar 8, 2009 um 10:47 pm | Veröffentlicht in 2009, Bücherhexe, Hexenseele, Kalenderblätter, Kultur, Mitmensch - unbekanntes Wesen, Real-Poetisches, So Momente halt... | 4 Kommentare
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Nachträglich zu einem Geburtstag

„Du bist in mir gewesen
still und die ganze Zeit.
Da hat dich nichts vermindert,
nichts hat mich so erinnert
wie deine Schweigsamkeit.“

(Heinz Kahlau. Nach einer Reise. Aus: Du. Aufbau. 1974)

portrat-aufbau-verlEr gehört zu den Poeten, die noch als richtige Arbeiter richtig mit den Händen zupacken (un)gelernt haben, saß auf dem Traktor, zog Kabelstrippen und stand an der Drechselbank. Er war Meisterschüler von Bertolt Brecht und hat das Flugbrett für Engel erfunden (pssst! – eines von denen benutze ich selber noch manchmal). Er hat mit seinen Stücken Kindertheater groß gemacht und als Mit-Drehbuchschreiber auch den Manfred Krug (da schau, noch ein Geburtstagskind!). Er hat Rock-Songtexte geschrieben und Schreiberpreise eingeheimst. Und schon vor dem Mauerfall ein Querholz geschnitzt. Er kann auch Märchen. Und Nachdichtungen, vom amerikanischen Arbeitersong bis zum französischen Chanson. Er trägt einen Namen, der nicht zum Ka(h)lauer taugt, auch wenn er so klingt. Einen, den im Osten dereinst jedes Kind kannte.

Heinz Kahlau.
Heute Inselbewohner, auf Usedom.
Schreibt immer noch.
Wird – immer noch – bei Aufbau herausgegeben.
Und hatte gerade Geburtstag den ich wieder mal verträumt hab, seinen achtundsiebzigsten.

Hinter GlasAm liebsten und schönsten ist seine Liebeslyrik – find ich. Und hüte seit Jahr und Tag ein heftig zerlesenes Bändchen solcher seiner Verse herznah in meinem Bücherregal – Du. Öhm… also letzeres ist der schlichte Titel besagten Büchleins. Schlicht und klar wie die Worte darin: von Herz und Schmerz, Vertrauen und Verletztsein, von Zärtlichkeit und Zerrissenheit, Atemlosigkeit und Alltag, Enttäuschung und Hoffen, von Kämpfen und Aufgeben, Wärme und Kälte, Freundsein und Feindsein – ach, wer kennt es nicht, das ganze Chaos und Himmelhochjauchzen-Zutodebetrübtsein, wenn Menschen einander nahe kommen. Geradeaus und ehrlich, zart und robust, ohne Schmalz und ohne Schwulst. Gedichte, die kein Leben retten, und doch manchmal – vielleicht – ein bisschen leben helfen.

Nun aber mal gut und genug des Überschwalls, sonst merkt am End noch alle Welt, wie sehr ich sie mag. 😉 Zu spät? Was soll’s. Lass‘ ich halt lieber einen andern über ihn zu Worte(n) kommen.

Jurek Becker (ja d e r Jurek Becker) hat in seinem DU-Nachwort auf drei kleinen Seiten und mit einem kleinen Lächeln hier und da ein paar kleine – wissenswert menschliche – Dinge über den Menschen und Dichter Heinz Kahlau geschrieben. Auch dies:

“Mancher Dichter übt während des Schreibens zu leben, vollzieht nach, Erfahrungen werden zu Handlung, zu Reisen, das Gedicht lässt sich häufig an irgendwie Erlebtem überprüfen, zumindest davon herleiten. Bei Kahlau der umgekehrte Eindruck. Mag sein, es handelt sich um ein geschickt angelegtes Täuschungsmanöver, aber der Verdacht will sich nicht beruhigen, dass er ungebührlich oft damit beschäftigt ist, Geschriebenes oder Entworfenes zu testen. Mit Fragen, seltener mit Antworten, mit Blicken. Als ob er dich ständig als Vehikel […] benutzt…”

Nun, der Leser ist nie Vehikel, glaub ich. Der macht sich sowieso seinen eigenen Reim auf alles, was er in sich herein lässt. Und Kahlaus Lyrik ist etwas zum In-sich-Hereinlassen – dagegen kannst du nicht an und wehrst dich nicht.

Na, dann darf jetzt auch mal der Meister selber:

...wie wir sind

Die Liebe (I)

Manchmal kommt es,
dass die Liebe uns einreden will,
wir könnten andere sein,
als wir sind.
Wir glauben es auch,
solange die Liebe noch lauter ist
als wir selber.
Wehe aber,
die Liebe muss Atem holen.
Dann hören wir wieder
auf uns,
dann können wir
nicht mehr sein, wie wir wollen,
dann müssen wir sein,
wie wir sind.

Hm, ich weiß nicht, ob Sonntagabendstimmung so gut ist für Wahrheiten, denen man in sich selten Worte gibt. Oder? Noch eins?

Verletzt

Verletzt

Die Wärme, die so dicht um meine Schultern lag,
hast du mit einer harten Geste weggezogen.
Jetzt ist mir kalt am heißen Sommertag.

Der allzu scheue Vogel Zärtlichkeit,
von deiner bösen Stimme ist er aufgeflogen
bis zu den Toten. Zittert dort und schreit.

Du hast ihn um sein schönstes Nest betrogen,
das es sich selten aus vier Händen baut.
Du warst zu schweigsam, und du warst zu laut.

Na gut, eins noch – auch, damit es ein bisschen sonnig endet:

Für dich schön

Alltägliche Lieder von der Liebe (II)

Ich muss jetzt nur noch rasch
hinunterlaufen,
muss Brot und Milch und ein paar Äpfel kaufen,
dann hab ich Zeit für dich.
Entschuldige,
es sieht hier schlampig aus,
doch ausgerechnet heute
kam ich sehr spät nach Haus.

Komm, setz dich doch –
versuch was fernzusehn.
Ich komme gleich,
du musst das schon verstehn,
ich komme gleich
und mach mich für dich schön.

Noch eins und noch eins und die ganzen andern stehn in dem Büchlein (und nicht nur in dem) – gibt’s bei amazonens, zu jämmerlichen Ramschpreisen wieder mal. Schade eigentlich. Und schad auch, dass so viele den Kahlau nicht mehr kennen…
Tsss… die Werbung, die ich hier fürn aufbau Verlag mache, kann gar keiner bezahlen. 😉

Ach ja, und irgendwer muss sich gelegentlich mal über den mickrigen und für meine Begriffe etwas tendenziösen Wiki-Eintrag zum Kahlau hermachen, das hätte der verdient. Oder soll ich das etwa a u c h noch selber…?

Es führt ein Weg nach...

Bilder: Heinz Kahlau. Porträt. Via hpd. Bilder 2-5 – via myflyaway. Regenweg: Alan Dickson.
Texte: Aus: Heinz Kahlau. Du. Aufbau Verlag 1974. (Private Verwendung nach Creative commons Lizenz.)

Mit Tschechow nach Marzahn

Februar 1, 2009 um 10:46 pm | Veröffentlicht in 2009, Alles platti, Bücherhexe, Berlin, BildungsLückenbauten, Drumherum und anderswo, Kalenderblätter, Kultur, Real-Poetisches, Zuhaus-Hexe | 3 Kommentare
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Über Mohrrüben und das Leben und ein paar seltsame Begegnungen in der S-Bahn

„Ich empfehle von Herzen, Tschechows Werke
so oft wie möglich zur Hand zu nehmen und
durch sie hindurchzuträumen, wie das ein Leser tun soll.“

(Vladimir Nabokov)

schild-btt-1Berlin Alexanderplatz.

Ich sehe ihn schon von weitem, wie er mit wehenden Mantelschößen von der Rathausseite heranstürmt und muss schmunzeln, als er entschuldigend seinen Hut vor einem regenbogenfarbenen Punk zieht, der ihm rempelnd vor die eilenden Füße gekollert ist. Der Typ schaut ihm mit offenem Mund hinterher.

„Da sind Sie ja, Anton Pawlowitsch, willkommen, ich freue mich. Nur vielleicht hätten wir doch lieber im Taxi statt mit der S-Bahn….?“

„Die Freude ist ganz meinerseits. Aber, aber Kindchen, Sie auch? Der Wirt meiner netten Pension hatte schon so ein kleines Entsetzen in den Augen, als er erfuhr, was ich vorhabe. Wissen Sie, ich bin durch Sibirien gereist und hab vor 120 Jahren die Abgründe Russlands auf Sachalin gesehen. Wer wird da vor den Abgründen einer Stadt des zivilisierten 21. Jahrhunderts die Hosen voll haben?”

Tschechow-Skulptur mit Regenschirm TomskEr zwinkert mir mit blitzenden Augen zu und rückt unternehmungslustig seinen Hut in die Stirn. Ich zwinkere zurück:

“Sie haben Recht. Ich w o h n e da – seit …zig Jahren, gleich um die Ecke. Und ich wette, Ihr Wirt ist noch nie in Marzahn gewesen. Solche Leute pflegen das Abgründige dort am besten zu kennen. Kommen Sie, hier die Treppe hoch. Wir schaffen die nächste Bahn noch.”

“Wie fahren wir, ist es weit bis zum Theater?” – “Mit der Linie 7 bis Ahrensfelde, Endstation. Noch ein paar Meter zu Fuß und schon sind wir da. Nicht länger als eine halbe Stunde.”

Die Bahn ist mäßig besetzt.
Uns schräg gegenüber am Fenster sitzt ein hitzig streitendes Pärchen, russischer Landadel, vorletztes Jahrhundert, das sich zur Gaudi der Umsitzenden nicht um die Lautstärke schert. Streitpunkt? Das liebe Geld, was sonst?:

Sie: …Überdies sind es heute gerade sieben Monate, daß mein Mann gestorben ist, und ich befinde mich gegenwärtig in einer Stimmung, die mich am wenigsten zur Beschäftigung mit Geldsachen disponiert.
ER: Und ich befinde mich gegenwärtig in einer solchen Stimmung, daß ich, wenn ich morgen die Prozente nicht bezahle, beinvoran aus dem Schornstein fliege. Man konfisziert mir mein Gut!
Sie: Übermorgen erhalten Sie Ihr Geld.
Er: Ich benötige das Geld nicht übermorgen, sondern heute.
Sie: Verzeihen Sie, aber heute kann ich Ihnen nicht bezahlen.
Er: Und ich kann bis übermorgen nicht warten.
Sie: Was soll man denn tun, wenn ich’s jetzt eben nicht habe!
Er: Kurzum, Sie können nicht bezahlen?…
Sie: Ich kann nicht…
Er: Hm!… Ist das Ihr letztes Wort?
Sie: Ja, mein letztes.
Er: Das letzte? Positiv?
Sie: Positiv.
Er: Ergebensten Dank. Das wolln wir auch so notieren.

In der kurzen Funkstille zwischen den beiden lupft mein Begleiter grüßend den Hut zu ihnen hinüber und wendet sich mir wieder erwartungsvoll zu:

tschechow_ohne-tolstoi-aus-russl_journal“Nun, erzählen Sie, Kindchen, erzählen Sie! Wie kam es zu dieser Ehre, in dieser Siedlung mit den hohen… den Hochhäusern ein Theater nach mir zu benennen?”

„Oh, man verehrt Sie, Anton Pawlowitsch, heute wie damals. Und hat Sie sicherlich wissen lassen, dass Sie heute Abend viele Landsleute treffen werden, Rückkehrer in das Land ihrer Wurzeln, die Ihre Muttersprache sprechen und ihren Tschechow im Bücherregal stehen haben. Und sie teilen diese Verehrung durchaus mit vielen ihrer deutschen Nachbarn. Dass es das Theater überhaupt gibt – ja, solche Schnörkel malt das Leben -, verdankt sich auch ein bisschen den vorhin erwähnten ‚Abgründen‘. Kultur braucht Geld und manchmal, vor allem in, wie wir es heute gern nennen, sozialen Brennpunkten, öffnet die Stadt ihr Säckel dafür. Und aus diesem Säckel fließt es erstaunlicherweise und auch zum Segen des Theaters unverdrossen, auch wenn es dort im Viertel inzwischen nicht mehr gar so lichterloh brennt, wie ich meine. Was der Kultur da aber nur zum Wohle und gut sein kann…“

Der Streit neben uns flammt wieder auf:

dame_mit_dem_huendchen_me

Sie: Sie verstehen sich nicht in weiblicher Gesellschaft zu benehmen!

Er: Nein, ich verstehe mich sehr wohl in weiblicher Gesellschaft zu benehmen!

Sie: Nein doch! Sie sind ein ungezogener, grober Mensch! Anständige Menschen sprechen nicht so mit Frauen!
Töricht und grob.

Er: Töricht und grob! Ich verstehe mich in weiblicher Gesellschaft nicht zu benehmen! Meine Gnädige, ich habe in meiner Zeit mehr Frauen gesehen, als Sie Sperlinge! Dreimal hab ich mich im Duell geschossen wegen Frauen, zwölf Frauen habe ich verlassen, neun verließen mich! Tja-wohl! Es gab eine Zeit, da spielte ich den Narren, raspelte Süßholz, redete Honig, sprühte Perlen und knixte mit den Füßen [. ..] Ich liebte leidenschaftlich, auf jegliche Manier, hol mich der Teufel, schwatzte wie eine Elster über Frauen-Emanzipation, habe mein halbes Vermögen auf Zartgefühl verlebt, aber jetzt – gehorsamer Diener! Jetzt führt ihr mich nicht mehr an! Genug! Sschwarze Augen, rote Lippen; Grübchen auf den Wangen, Vollmond, Flüstern, scheues Atmen — für das alles gebe ich heute, meine Gnädige, auch nicht einen Kupferdreier! […] In der Liebe versteht sie nichts weiter als winseln, miauen und den Kopf hängenlassen! Wo ein Mann leidet und opfert, drückt sich ihre Liebe bloß darin aus, daß sie mit der Schleppe schwänzelt und uns um so fester an der Nase führt […] Nun sagen Sie mir auf Ehre und Gewissen: Haben Sie je eine Frau gesehen, die aufrichtig, treu und beständig war? Nein, Sie haben sie nicht gesehen! Treu und beständig sind allein Greisinnen und Mißgeburten! Eher noch treffen Sie eine gehörnte Katze oder eine weiße Waldschnepfe, als eine beständige Frau!

Sie: Erlauben Sie, wer ist denn dann Ihrer Meinung nach treu und beständig in der Liebe? Etwa der Mann?

Er: Tja-wohl, der Mann!

Sie: Der Mann! Der Mann treu und beständig in der Liebe! Sagen Sie, was für eine Neuigkeit! […] Die Männer treu und beständig! Wenn wir schon davon reden, so will ich Ihnen sagen, daß von allen Männern, die ich je gekannt habe und kenne, der allerbeste mein verstorbener Gatte war… Ich liebte ihn leidenschaftlich, mit meinem ganzen Wesen, wie nur eine junge, denkende Frau zu lieben vermag; ich gab ihm meine Jugend, mein Glück, mein Leben, mein Vermögen, ich atmete ihn, betete zu ihm wie eine Heidin, und… und was? Dieser beste aller Männer betrog mich gewissenlos auf jedem Schritt! Nach seinem Tode fand ich in seinem Tisch eine Schublade voll von Liebesbriefen, und bei seinen Lebzeiten ließ er mich — schrecklich zu denken! — zu ganzen Wochen allein, machte vor meinen Augen anderen Frauen den Hof, betrog mich, warf mit meinem Geld herum, machte sich über meine Liebe lustig .. . Und, ungeachtet alles dessen, liebte ich ihn und war ihm treu . . .

Er: […] Mir unbegreiflich, für wen Sie mich halten? Als ob ich nicht weiß, warum Sie diese schwarze Maskerade tragen […] Gewiß doch! Das ist so geheimnisvoll, so poetisch! Fährt am Gutshaus irgendein Leutnant oder ein wildgelockter Dichter vorüber, so blickt er auf die Fenster und denkt: „Hier wohnt jene geheimnisvolle Tamara, die sich aus Liebe zu ihrem Gatten in ihre vier Wände vergraben hat.“ Wir kennen doch diesen Hokuspokus! […]

Sie: Wie unterstehn Sie sich, mit mir derart zu reden?

Er: Bitte, schreien Sie nicht, ich bin Ihnen kein Verwalter! Lassen Sie mich doch die Dinge beim rechten Namen nennen. Ich bin keine Frau und pflege meine Meinung direkt herauszusagen! Also, schreien Sie bitte nicht!

Sie: Ich schreie nicht, Sie schreien! Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!…

Wir sehen uns grinsend an. “Ich hoffe, Sie haben Ihr Notizbuch dabei, lieber Anton Pawlowitsch. Die Luft an dem Ort, an den wir uns begeben, riecht nach Geschichten, wie Sie sie lieben.” „Du fragst: was ist das Leben? Das ist, als wollte man fragen: was ist eine Mohrrübe? Eine Mohrrübe ist eine Mohrrübe, mehr ist darüber nicht zu sagen“, murmelt er. Kramt in seinen Taschen und nickt. “Und weiter, Mädchen? Erzählen Sie weiter.”

Dazu soll es zunächst nicht kommen. Denn am Ostkreuz steigt ein Kontrolleur zu:

“Ihre Fahrkarten, bit–te!” ruft er, lustig mit der Zunge klappernd. […]

Verschlafene, ins Halbdunkel gehüllte Gestalten fahren zusammen, schütteln die Köpfe und reichen ihm ihre Fahrkarten.

“Ihre Fahrkarte, bit–te!” wendet sich Podtjagin an einen Passagier […], einen hageren Menschen, der sich in einen Pelzmantel und eine Decke gehüllt hat […] “Ihre Fahrkarte, bit–te!”

Der hagere Mensch gibt keine Antwort. Er schläft. Der Oberschaffner berührt seine Schulter und wiederholt ungeduldig: “Ihre Fahrkarte, bit–te!”

Der Passagier fährt zusammen, öffnet die Augen und blickt Podtjagin entsetzt an. “Wie? Was? Wer?” “Ich sage Ihnen doch: Ihre Fahrkarte! Sind Sie so gut!”

“Mein Gott!” stöhnt der hagere Mensch und verzieht weinerlich das Gesicht. “Du lieber Gott! Ich leide an Rheumatismus … drei Nächte habe ich nicht geschlafen, habe extra Morphium eingenommen, um einzuschlafen, und Sie kommen mit Ihren Fahrkarten! Das ist doch grausam, unmenschlich! … Es ist grausam und unnütz! Was brauchen Sie plötzlich meine Fahrkarte? So dumm!”

Podtjagin überlegt sich, ob er sich verletzt fühlen soll oder nicht, und entschließt sich für das erstere. “Schreien Sie bitte nicht! Hier ist kein Wirtshaus!” sagt er.

“Im Wirtshause sind die Leute viel menschlicher …”, sagt der Passagier hustend. “Jetzt muß ich zum zweitenmal einschlafen! Es ist doch merkwürdig: das ganze Ausland habe ich bereist, und kein Mensch hat von mir meine Fahrkarte verlangt; hier aber kommen sie jeden Augenblick, wie wenn der Teufel sie stieße! …”

“Fahren Sie dann ins Ausland, wenn es Ihnen so gut gefällt!”

“Es ist dumm, verehrter Herr! Jawohl! Es genügt ihnen nicht, daß sie die Passagiere durch Kohlendunst, Hitze und Zugluft halb hinmorden, sie müssen sie auch noch mit allen diesen Formalitäten plagen. Meine Fahrkarte braucht er plötzlich! Gott, welch ein Eifer! Wenn es doch der Kontrolle wegen wäre, aber der halbe Zug fährt ohne Fahrkarten!”

“Hören Sie mal, Herr!” braust Podtjagin auf. “Wenn Sie nicht aufhören, zu schreien und das Publikum zu belästigen, so muß ich Sie auf der nächsten Station aus dem Zuge weisen und über Ihr Benehmen ein Protokoll aufnehmen!”

“Es ist empörend!” schimpft das Publikum. “Wie er dem kranken Menschen zusetzt! Hören Sie mal, man muß doch Rücksicht nehmen!”

“Der Herr schimpft aber selbst!” entgegnet Podtjagin feige. “Gut, ich verzichte auf seine Fahrkarte … Ganz wie Sie wünschen … Aber Sie wissen doch, daß das meine Pflicht ist … Wenn es die Dienstinstruktion nicht verlangte, dann natürlich … Sie können sogar den Stationschef fragen … Sie dürfen jeden fragen …”

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Der frustrierte Kontrolljagin verlässt an der nächsten Station die Bahn – nicht, ohne dass mein Nachbar ihm ein grübelnd verträumtes Lächeln hinterher schickt. Und obwohl das aufgelöste Publikum sich langsam wieder beruhigt, ahne ich: das wird nix mehr mit einer gepflegten und ungestörten Unterhaltung bis zur Endstation. Ich fass mal zusammen – und kann’s dem großen Kollegen ja dann ausdrucken, wenn er mag.

blick-inDas Berliner Tschechow-Theater kenn ich ja schon aus der Zeit, als es noch ganz woanders war, was sag ich, als es noch nicht mal so hieß und das Publikum sich noch an den kleinen runden Kaffeehaustischen niederließ. Ich war sogar an einem der großen Erfolge des Vorgängers beteiligt: einer Filmvorführung und Diskussion zu Günter Kottes “Lieber Wolodja” über den heißgeliebten Volksbarden Wladimir Wyssozki. In Anwesenheit des Filmemachers, der seinen Spuren in Moskauer Kneipen und anderswo gefolgt war. Die Resonanz und Sachkenntnis der Leut‘ hat uns damals umgehauen und wir mussten bei Nachbars noch Stühle borgen gehn. Das war zu der Zeit, so Ende der Neunziger, als ich in der Ecke noch ein eigenes und wohlbesuchtes soziokulturelles Projekt am Leben erhielt und, meist vergeblich, bei den ansässigen Vertretern des Stadtsäckels um ein paar Kröten bettelte.

Die Intendantin des späterhin Tschechow-Theaters, die beiläufig kein Mensch Intendantin nennt, ist Slowakin und promovierte Kulturwissenschaftlerin und ruiniert mit ihrem Engagement für den Laden nix, außer Tag für Tag ihre Gesundheit. Ich hab selbiges in und aus ihr – spätestens – ohne Wenn und Aber schätzen gelernt, als sie mir dereinst quasi für lau und aus Kollegialität geholfen hat, ein multikulturelles Event in der Heiligkreuz-Kirche in Kreuzberg für 800 Leute aus allen Bundesecken auf die Beine zu stellen. Freundinnen wurden wir schon vorher. Und von der Hilfe hat sie a u c h was gehabt: von den erstaunlich zahlreichen Kontakten zu Künstlern, die bereit waren, damals für unsere kärglichen Euronen (oder ohne) aufzutreten, zehrt sie noch heute.

autorenlesung-tschechow-1Und das Theater, entstanden zuvörderst aus dem Wunsch russlanddeutscher Zuwanderer, ihre eigene Kultur und Sprache in das Leben im Kiez einzubringen, ist ihr Baby. Sein Markenzeichen sind zweisprachige Theateraufführungen v.a. von komödiantischen Tschechow-Einaktern wie “Der Bär”, “Der Heiratsantrag” etc. Was allerdings der Vielseitigkeit des Programms in keiner Weise gerecht wird. Das reicht quer durch alle Kunstgenres und Zielgruppen. Neben Konzerten, Kinderbespaßungen, Kabarettaufführungen und was weiß ich noch alles können Maler ihre Bilder ausstellen, Amateurtänzer ihre ersten Lorbeeren sammeln und No-Name-Autoren an die Öffentlichkeit treten und an ihrem Ruhm arbeiten – wenn sie sich denn trauen.

Bahnhof Mehrower Allee. Nun wird es aber Zeit, meinen guten Anton Pawlowitsch von dieser pelzbemantelten Landsmännin loszueisen. Die muss ihn erkannt haben und versucht gerade, ihm ihre selbstgestrickten dramatisch-literarischen Werke anzuschwatzen:

“Sehen Sie, ich … ich …”, sagte die Dame, indem sie Platz nahm, in noch größerer Erregung. “Sie erinnern sich meiner nicht … Ich heiße Muraschkina … Sehen Sie, ich bin eine große Verehrerin Ihres Talents und lese stets mit Genuß Ihre Aufsätze … Glauben Sie nur nicht, daß ich Ihnen schmeicheln will, – Gott behüte! – ich lasse Ihnen nur Gerechtigkeit widerfahren … Immer, immer lese ich Ihre Aufsätze! Einigermaßen stehe ich auch selbst der Schriftstellerei nicht ganz fern, d.h. natürlich … ich wage es nicht, mich eine Schriftstellerin zu nennen, aber auch ich habe schon einige Tropfen Honig in den Bienenkorb der Literatur gebracht. Zu verschiedenen Zeiten sind von mir drei Erzählungen für die Jugend erschienen, – Sie haben sie natürlich nicht gelesen … ich habe auch viel übersetzt und … und mein verstorbener Bruder war Mitarbeiter der Zeitschrift ‚Djelo‘.”

“So, so … hm … Womit kann ich dienen?”

eingangstur-btt-bea“Sehen Sie … (Die Muraschkina senkte die Augen und errötete). Ich kenne Ihr Talent … und Ihre Anschauungen […] und möchte gerne Sie um Ihre Ansicht oder eigentlich um Rat bitten. Ich bin, pardon pour l’expression, mit einem Drama niedergekommen, und bevor ich es an die Zensur schicke, möchte ich Ihr Urteil hören…”

“Oh, entschuldigen Sie tausendmal, dass ich Ihr angeregtes Gespräch unterbreche, aber wir sind da, Anton Pawlowitsch.” Er wirft mir einen dankbaren Blick zu, schlägt den Kragen hoch und folgt mir auf den Bahnsteig. Das streitsüchtige Paar aus dem Zug scheint denselben Weg zu haben wie wir. Wenige Minuten später stehen wir am Fuß eines Elfgeschossers. An der Eingangstür zum Ladentheater erwartet man uns schon – also mehr ihn, glaub ich.

Das Pärchen ist backstage verschwunden. Wen wunderts? – gegeben wird heute “Der Bär”. Zweisprachig.

P.S. Viel zu lang! – jaja, ich weiß. Aber ich konnte nicht anders. Und jaja, drei Tage zu spät… ich weiß, ich weiß. Aber es war ja nur die Generalprobe; runder Geburtstag ist nächstes Jahr, da passt’s dann. 😉

Bilder: Tschechow-Denkmal in Tomsk: Wikimedia commons. Tschechoew-Porträt: RusslandJournal (modifiziert). Dame mit Hündchen-Szenenbild: Deutsches Filminstitut.de. Autorenlesung: Feelgoodradio-Archiv. BTT Marzahn: selbereigene.
Song: Wladimir Wyssozki: „За меня невеста…“ (Sa menja newesta…) – via youtube.
Textquellen: Anton Tschechow: Der Bär, OdysseeTheater Wien. Anton Tschechow: Ja, das Publikum! und Das DramaGutenberg Projekt.
I

My heart would feel to be a crime unless it trembled with the strings*

Januar 19, 2009 um 11:11 pm | Veröffentlicht in 2009, Bücherhexe, Fest-Platte, Fremd-Worte, Kalenderblätter, Kultur, Real-Poetisches, So Momente halt... | 2 Kommentare
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Edgar Allan PoeIch feiere ihn ja schon seit einem Jahr, ach was sag ich, schon zwei Drittel meines Lebens lang. Seitdem ich in einer stillen Ecke mit einem schmalen Bändchen seiner Erzählungen auf den Knien der Welt um mich verloren ging, mir der Grusel ins Haar kroch und als Gänsehaut den Rücken abwärts fror…

Heute ist der 200. Geburtstag von Edgar Allan Poe.

Grund genug, ihn zu ehren – er ist einer von den ganz Großen.

Grund genug für den poesk geheimnisvollen Geburtstagsgast, der alljährlich an seinem Grab in Baltimore erscheinen soll, sich auf mehr Neugierige als im letzten Jahr einzustellen – und vielleicht eine volle Flasche mitzubringen.

Grund genug für ein bisschen PoePoesie, erst recht, wenn sie grad irgendwie zur akuten Stimmung passt.

A Dream Within a Dream

Take this kiss upon the brow!
And, in parting from you now,
barfusiges-rabenmadchenThus much let me avow-
You are not wrong, who deem
That my days have been a dream;
Yet if hope has flown away
In a night, or in a day,
In a vision, or in none,
Is it therefore the less gone?
All that we see or seem
Is but a dream within a dream.

I stand amid the roar
Of a surf-tormented shore,
And I hold within my hand
Grains of the golden sand-
How few! yet how they creep
Through my fingers to the deep,
While I weep- while I weep!
O God! can I not grasp
Them with a tighter clasp?
O God! can I not save
One from the pitiless wave?
Is all that we see or seem
But a dream within a dream?

(1827. Mit deutscher Übersetzung: hier.)

————————-…
Grund genug auch für eine (von vielen) vertonte Fassung? Hmm… vielleicht damit es nicht gar so traurig endet? – und trotz oder wegen des schrägen ‚postsymbolistischen‘ Videos? Auch wenn das Stimmchen ein bissel dünn ist: Dem Nachwuchs eine Chance! Und womöglich lässt sich ja aus dem Sound was drehen…? – A Dream without a Dream… 😉

*Textzeile aus: E. A. Poe: Romance (1829).

Bilder: Edgar Allan Poe – via. Rabenmädchen – keine Ahnung; creative commons Lizenz (Urheber bei Bedarf bitte melden).
Video – via youtube.

“You can feel the beat within my heart…”

Januar 18, 2009 um 8:27 pm | Veröffentlicht in 2009, Geschichtsbuch, Kalenderblätter, Kultur, Real-Poetisches, Träller-Hexe | 2 Kommentare
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Ein bleiernes Luftschiff auf Jugfernfahrt

„The Band will go over like a lead zeppelin.“
(Zugeschrieben Keith Moon, Schlagzeuger von The Who.)

grafzeppelin-luftschiffIm Winter 1968/69 tingelte ein Quartett bunter Vögel von der Insel, die aus verschiedenen Nestern gefallen waren, rockend durch seine erste US-Tournee – als Vorband und Hilfsbutler zum Anheizen der Fans von Alice Cooper, Vanilla Fudge, Iron Butterfly und Country Joe and the Fish. Wenige Wochen zuvor noch unter dem halbgeborgten Namen The New Yardbirds unterwegs, stiegen sie mit ihrem neu erkorenen voll auf die Lästereien frozzelnder Berufskollegen ein und allen Unkenrufen zum Trotz auch mit Power zum ersten Mal auf. Als ‚bleiernes Luftschiff‚ – LEAD LED ZEPPELIN.

Noch während der Tournee nahmen sie, von Atlantic Records unter Vertrag genommen, in nur 30 Stunden Studioarbeit ihr Debütalbum auf. Es kam – mit dem Cover-Bild des brennenden Luftschiffs “Hindenburg” – fast auf den Tag genau vor 40 Jahren, am 12. Januar 1969, auf den Markt. Und sollte, so uneins, dazed and confused* die Kritiken bei seinem Erscheinen waren, dereinst als Revolution des Hard Rock und Heavy Metal gefeiert werden.

In den Songs des Erstlings von Robert Plant (stimmgewaltiger Gesang, Mundharmonika)), Jimmy Page (E-Gitarren-Feuerwerk, Theremin, Mandoline), John Paul Jones (Bass, Keybord, Gitarre, Orgel, Mellotron) und John Bonham (Schlagzeug, Perkussion) vereinten sich Elemente des Blues, Folk und harten Rock zum unverwechselbaren Led-Zeppelin-Sound, der mit der Naturgewalt eines Erdbebens über die Konzertbühnen und in die Herzen der Fans donnerte.

Die Aufnahmekosten des Albums beliefen sich seinerzeit auf läppische 1800 Pfund; eingespielt hat es an die 3,5 Millionen – wenn das kein ordentliches Aufwand-Nutzen-Verhältnis ist!

Bereits ihr zweites Album “Led Zeppelin II”, das endlich auch bei den zögerlichen Deutschen den Durchbruch brachte, schoß – von wegen bleiern! – mit Raketentempo auf Platz eins der US-Charts und verdrängte gar das Abbey Road der Beatles. Der Siegeszug des Luftschiffs war nicht mehr aufzuhalten.

In mir steigen, während ich das niedertippsele, Erinnerungen an meine Teenie-Discos voller Led Zeppelin hoch – lang, lang ists her -, in denen die DJs zu DDR-Zeiten noch ihr ganzes Trick-Register ziehen mussten, um die Befindlichkeiten des Publikums mit dem streng vorgeschriebenen Verhältnis von Ost- und Westmucke in Einklang zu bringen. Die Band selbst, die man heute mit Fug und Recht zu einer der erfolgreichsten in der Rockgeschichte zählen darf, hat sich inzwischen längst auch nachfolgenden Fan-Generationen ins Herz gespielt.

*

die alte GardeNach dem Tod ihres Schlagzeugers John Bonham erklärten Led Zeppelin am 4. Dezember 1980 ihre Auflösung. Und 1982 erschien ihr neuntes und letztes Album “Coda”, eine Studio-Produktion mit bisher nicht veröffentlichten Live- und Studio-Einspielungen aus der Zeit von 1969 bis 1978. Am 12. Januar 1995, auf den Tag genau 26 Jahre nach Erscheinen ihres ersten Albums, gingen sie in die Rock and Roll Hall of Fame ein und sammelten 10 Jahre später auch noch den Grammy Award fürs Lebenswerk auf.

Und 2007 endlich gab es ein Live-Comeback der Band in der O2-Arena in London. Mehr als 20 Millionen Fans hatten sich für die 20 000 Tickets registrieren lassen, die über eine Auslosung vergeben wurden.

In der TAZ erschien damals aus diesem Anlass ein Artikel unter dem Titel “Mutterschiff des Sexismus”, und ich hab beim Lesen der Kommentare an den ‚bleiernen‘ Verfasser herzlich gelacht und mich himmlisch amüsiert. Wollt ihr auch? – Büüddeschön! 🙂

Den verstorbenen Schlagzeuger John Bonham ersetzte bei diesem Konzert sein Sohn Jason Bonham. Was uns – wie weiterer hoffnungsvoller Nachwuchs (s. u.) die Hoffnung erhält, dass uns der Sound von Led Zeppelin auch fürderhin nicht ausstirbt und im Vergessen versinkt.

* Titel eines Led-Zeppelin-Songs auf dem Debüt Album “Led Zeppelin”

Bild: Led Zeppelin beim Live-Comback 2007, London. Via.
Videos – via youtube.
Dankeschön: an Wolf – für die ‚Eingebung‘.
🙂

Dinner for You, kein Kästner und guten Rutsch!

Dezember 31, 2008 um 10:26 pm | Veröffentlicht in 2008, 2009, Alles platti, Bloghexe, Fest-Platte, Fremd-Worte, Hexenblabla, Hexentanz, Kultur, Real-Poetisches, So Momente halt... | 3 Kommentare
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buchstabe-auch wenn er sowas von Recht hat, kann man ja nicht schon wieder wie letztes Mal die treue Leserschar mit den unpädagogischen Ermunterungen seines Leib- und Magen-Kästner ins neue Jahr schicken. Hmm, was fangen wir also heuer mit Silvester an und wen haben wir da denn noch so im Angebot?

Tucholsky vielleicht? Nee, den sieht man ja genauso ratlos wie sich selber. Und so richtig aufzubauen vermag er einen irgendwie auch nicht, wa?:

Silvester

Was fange ich Silvester an?
Geh ich in Frack und meinen kessen
Blausanen Strümpfen zu dem Essen,
Das Herrn Generaldirektor gibt?
Wo man heut nur beim Tanzen schiebt?
Die Hausfrau dehnt sich wild im Sessel –
Der Hausherr tut das sonst bei Dressel -,
Das junge Volk verdrückt sich bald.
Der Sekt ist warm. Der Kaffee kalt –
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?

Wälz ich mich im Familienschoße?
Erst gibt es Hecht mit süßer Sauce,
Dann gibt’s Gelee. Dann gibt es Krach.
Der greise Männe selbst wird schwach.
Aufsteigen üble Knatschgerüche.
Der Hans knutscht Minna in der Küche.
Um zwölf steht Rührung auf der Uhr.
Die Bowle -? (‚Leichter Mosel‘ nur – )
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?

Mach ich ins Amüsiervergnügen?
Drück ich mich in den Stadtbahnzügen?
Schrei ich in einer schwulen Bar:
„Huch, Schneeballblüte! Prost Neujahr -!“
Geh ich zur Firma Sklarz Geschwister –
Bleigießen? Ists ein Fladen klein:
Dies wird wohl Deutschlands Zukunft sein…
Prost Neujahr!
Helft mir armem Mann!
Was fang ich bloss Silvester an?

Na dann eben “the same procedure as every year”. Jaaah, “Dinner for One” ist Kult – und Kult ist gut, weil was Konsensfähiges. Außerdem gibts den diesmal sogar in einer raffiniert auf traditionell-avantgardistisch getrimmten Version aus dem Hause LEGO:

Für konservative Liebhaber des Originals in dezentem Schwarz-Weiß und notorische Gewohnheitsgucker natürlich auch selbiges zum alten Preis:

denn egal, was Silvester auch immer mit uns anfängt: kein Jahresende ohne Miss Sophie mit dem gesunden Appetit und ihren verblichenen Verehrern sowie dem dienstbaren besoffenen Butler. Oder? 😉

Ha! Und zu guter Letzt dann doch noch was Erhebendes von einem Positivdenker – leider auch schon verblichen:

Wünsche zum neuen Jahr

Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass
Ein bisschen mehr Wahrheit – das wäre was

Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh
Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
Und Kraft zum Handeln – das wäre gut

In Trübsal und Dunkel ein bisschen mehr Licht
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht
Und viel mehr Blumen, solange es geht
Nicht erst an Gräbern – da blühn sie zu spät

Ziel sei der Friede des Herzens
Besseres weiß ich nicht

Peter Rosegger. Aus: „Mein Lied“

Was quatsch ich hier eigentlich noch rum? Wo ich doch nur sagen wollte:
Kommt gut rüber ins neue Jahr, Leute! Und durch natürlich auch. Wir sehn uns.

Eure Hex‘

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